Jonathan. Frech’s WebBlog

Filmkritik: Mission: Impossible – The Final Reckoning (#296)

Jonathan Frech

Es ist all­zu einfach, einen Epos­pfrop­fen in solch selbst­auf­er­leg­ter Not, ein breites Publikum zu finden, als ge­fühls­du­se­lige Plat­ti­tü­de, deren zaghafte An­nä­he­rung­en an In­ter­tex­tu­a­li­tät dem Fanservice unter­zu­ord­nen sind und dessen Hand­lungs­ge­wand dermaßen dünn gestrickt ist, dass es selbst ohne Barrel-Roll über der süd­afri­ka­nischen Steppe eine die Welt um­span­nen­de McGuffin-Jagd (McGuffin in seiner Bedeutung, dass die Be­gier­den­wür­dig­keit einzig aus der Benennung ihrer hervorgeht) in höchsten Staats­krei­sen als Kern­hand­lung entblößt, ab­zu­stem­peln.

Doch muss selbst ein film­er­probt­er Geist, dem das hand­lungs­kei­men­de Auf­schnap­pen der dem Zeitgeist als Quell zu­grun­de­lie­gen­den Ideen und Einfangen derer in ihrer unscharfen Gestalt an der Membran eben jenes Zeitgeists alles andere als neu sein dürfte, bei der Dar­stel­lung des An­ta­go­nist­en stutzen: Eingeführt im ersten Teil nicht alle Mühe des Abdunkelns scheuend als Schatten, bekommt der An­ta­go­nist im zweiten ein frei­heits­grad­arm­es Gesicht. Der etwas zer­fled­der­te, große blaue Kreis weiß alles, hat in seinem Ter­min­ka­len­der die Zerstörung der Menschheit stehen und ist trotz plakativem Exposé, er könnte sein In­for­ma­ti­ons­mo­no­pol zu ma­ni­pu­la­tiv­en Zwecken an auf der Erde un­ein­ge­schränkt wandelnden Menschen nutzen, allergisch gegen Vintage, sein Siegfried-Kreuzchen.
Sind Attribute des großen blauen Kreises ein­falls­los­er als die im­mer­glei­che Atombombe zu jedem Ka­ta­kom­ben­tref­fen mit­zu­bring­en, entpuppt sich eine sich auf den Pro­ta­go­nist­en­be­schrei­bung­en stützende In­ter­pre­ta­ti­on als sorglos.

Betrachtet man jedoch den stringent durch­ge­hal­ten­en roten Faden einer In­sze­nie­rung des kalten Krieges ohne Mauerfall gekoppelt mit den nicht von der Hand zu weisend miss­glü­ckend­en Versuchen, dem An­ta­go­nist­en eine physische Form zu schenken (die Bedeutung des in der Se­was­to­pol schlum­mern­den Da­ten­satz­es als Reflections on Trusting Trust-Anspielung (Turing-Award-Vorlesung 1984 [T84]) und den gülden-gelben 5D-Quader als bildliche Dar­stel­lung von Homo­iko­nizi­tät zu deuten sind dennoch anregend), verhärtet sich der Verdacht, die Entität sollte in ihren viel­fa­cet­tier­ten Auftritten und Visionen ver­schie­den­er Per­spek­ti­ven als me­ta­pho­risch­er Einblick in die Ängste und Be­weg­grün­de der Handelnden in einer in­for­ma­ti­ons­arm­en und als gefährlich emp­fun­den­en Welt gedeutet werden.
In dieser Lesart durch­wan­dert der Film eine Me­ta­mor­pho­se hin zu einem Polit-Thriller, in dem Feld-Agenten, Militärs und Frau Präsident ohne zu viel ihres Wis­sens­schatz­es zu teilen den Slalom der Di­plo­ma­tie fahren.

Schenkt man dem Film eine solche wohl­wol­len­de Lesart und ignoriert man seine krude, ana­chro­nis­tische Umdeutung der Hasenpfote sowie seine verwirrt-de­ter­mi­nis­tische Deutung des Fatums, so schafft man genug Geröll beiseite, um sich an den dem Epos em­ble­ma­tisch­en Laufszenen und dem in re­gel­mä­ßig­en Abständen ein­ge­wor­fen­en Fran­zö­sisch mit au­then­tisch­em Schwa-Wegfall zu erquicken.

Ich beziehe mich hier auf die deutsche Ki­no­fas­sung, wie sie ver­gan­gen­en Don­ners­tag­abend im Ki­no Blaue Brücke in Tübingen lief. Ihr vor­an­ge­stellt ist eine das Ki­no lobende Nachricht des Pri­mär­pro­du­zent­en, deutsch un­ter­ti­telt. Die durch den Film verteilten fran­zö­sisch­en In­ter­jek­ti­on­en sind eben­falls deutsch un­ter­ti­telt.

[T84] Ken Thompson: „Reflections on Trusting Trust“. Communications of the ACM, Bd. 27, Nr. 8, S. 761—763. August 1984. Online: https://dl.acm.org/doi/pdf/10.1145/358198.358210 [2024-04-16]